Auf schon erprobten Pfaden schrauben wir uns auf die Schwäbische Alb hoch, dann geht`s durchs große Lautertal Richtung Donau. In Günzburg bekommen wir zum ersten Mal Besuch von zu Hause: Thomy Feldmann zeltet mit uns ein Wochenende lang.
Nach einigen Tagen geht der Donauradweg dann auch tatsächlich an der Donau lang. Das anfänglich sehr gute Wetter verschlechtert sich drastisch und wir nutzen manche Regenstunde, um an der Ausrüstung rumzuschrauben und zu basteln (diese Reisen kommen aber auch immer so überraschend, daß man fast nichts vorher vorbereiten kann ;-)). Wir schauen uns Ulm, Ingolstadt, Regensburg und Passau an - jedes Städtchen mit eigenem Flair und netten Ecken.
Der Donauradweg in Österreich ist bestens ausgeschildert und läuft fast immer auf autoarmen bis -freien Wegen direkt am Fluß lang. Überall sieht man radlerfreundliche Pensionen und Restaurants und man hat das Gefühl, hier als Radler etwas willkommener zu sein als in Deutschland.
Wir radeln an dicht bewaldeten Ufern entlang und durch weite Täler mit Feldern und Wiesen durch Linz, Grein und Krems nach Wien. In Wien besuchen uns spontan Caros Eltern. Zusammen mit unserem "Besuch" erleben wir viele interessante Gesichter Wiens - die Prachtbauten der Jahrhundertwende, das gemütliche Heurigen-Dorf Grinzing (nach ein paar Gläsern Heurigem grinzt hier jeder fröhlich), den Kahlenberg mit herrlichem Blick über Wien u.v.m.
Wir freuen uns über den "Besuch von zu Hause" - vielleicht kommt ja im Laufe der Wochen und Länder noch öfters jemand vorbei :-)). In Hainburg, kurz bevor wir Österreich verlassen, feiern wir unsere ersten 1.000 km mit Glühwein und Grog (für Sekt isses leider zu kalt).
Was bei unserer Planung auch noch niemand wissen konnte: die Donau fließt nicht von Österreich direkt nach Ungarn, sondern macht noch 'nen kurzen Abstecher in die Slowakei - also machen wir dies auch.
Kaum sind wir aus Österreich raus, wird das Wetter schon deutlich besser, der Himmel klart auf und die Sonne linst heraus. Wir radeln an Bratislava mit seinem mächtigen Schloß vorbei und - schwupps - sind wir auch schon wieder raus aus der Slowakei.
Das Erste, was uns in Ungarn auffällt: überall Störche in ihren Nestern an den Dorfstraßen (weiß eigentlich jemand, wieso Störche meist an Dorfhauptstraßen wohnen und nicht einfach draußen im Grünen? - Infos bitte an info@veloway.de).
Über Györ und Estergom geht's an der Donau lang nach Budapest. Dort treffen wir auf dem Campingplatz "Rosengarten" (Prädikat sehr empfehlenswert) zwei "alte Bekannte" wieder - Kati und Dietmar - Tourenradler, denen wir seit Österreich in jeder Sackgasse über'n Weg fahren. Budapest gefällt uns so gut, dass wir noch'n Tag verlängern und noch einen ...
Irgendwann geht's dann doch weiter (wir ham ja noch'n bissl was vor ;-)), weg von der Donau über Rackeve in die Apaj- und Bugac-Puszta (Sandpuszta vom Feinsten). Seit Budapest sieht man immer mehr Pferdewagen auf der Straße, doch auch auf den Dörfern hört man immer wieder die altbekannten Handy-Klingeltöne.
In Opusztaszar schauen wir uns das sehr schön gemachte Museumsdorf an, das über Leben und Handwerk der Menschen aus dieser Gegend vor 100 - 200 Jahren informiert. Über Mako geht's dann weiter Richtung Grenze. Nach nicht einmal zwei Wochen in Ungarn fühlen wir uns hier schon richtig zu Hause - wir haben ein paar Brocken Ungarisch gelernt (das Lebenswichtige halt: ja, nein, danke, bitte, Wasser, Brot, Wein, Bier, wo ist bitte der Campingplatz etc.) und die Mentalität der Menschen - zurückhaltend, aber auch sehr nett und hilfsbereit - macht das Reisen angenehm.
In Rumänien wird das Reisen schon etwas anstrengender: die Straßen sind schlechter (das ist aber auch gut so, denn in den Dörfern springt der gesamte Bestand an Federvieh sowie Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde etc. über die Straßen und wenn diese nicht so gut sind, rasen auch die Autos nicht so und die Viechlein überleben).
Die Menschen sind nicht mehr so zurückhaltend, was uns einerseits in der ersten Nacht eine herzliche Aufnahme bei einer Pfarrersfamilie in Port Periam beschert, andererseits aber auch anstrengend ist, da wir in den Dörfern wie bunte Hunde angeglotzt werden, ohne dass die Leute von sich aus Kontakt aufnehmen würden.
Durch Timisoara fahren wir weiter Richtung Süden. Fremd wirkt auf uns auch der allgegenwärtige Verfall: große Agrarbetriebe, Industrieanlagen, Plattenbauten (wohl alle aus kommunistischen Tagen) verfallen am Straßenrand. Wird in Deutschland Verfallenes einfach nur schneller weggeräumt? Da Caros Fahrrad wegen eines zermalmten Lagers an der Sachs-3-Gang-Nabe seit kurz nach Budapest statt 21 nur noch 7 Gänge hat (Ersatzteile gibt's erst in Griechenland) beschließen wir, die Karpaten zu umfahren und fahren so direkt Richtung Süden auf Serbien zu. Die Lei (rumänische Währung), die eigentlich nicht ausgeführt werden dürfen, finden ein Plätzchen im Fahrradlenker.
Dem verzweifelten Blick des Grenzpolizisten beim Durchblättern unserer Pässe mit einigen Visa entnehmen wir, dass wir für Serbien wohl auch eines gebraucht hätten. Wir kriegen's zum Glück auch an der Grenze. Über Vrsac radeln wir Richtung Straza und dann weiter nach Bela Crkva (früher "Weisskirchen").
Der Krieg ist in Jugoslawien immer wieder Thema: Wir lernen ein junges Paar kennen, das vor zwei Jahren vor den Nato-Bomben aus Belgrad geflohen ist und jetzt einen Dorfladen betreibt; eigentlich hatten sie andere Pläne... Die Menschen, denen wir begegnen sind sehr offen und gastfreundlich - viele fragen uns "woher?" und "wohin?" und wünschen uns eine gute Reise und viel Glück (auch wenn sich hier - wegen fehlenden Sprachführers - unsere Sprachkenntnisse noch mehr in Grenzen halten als in anderen Ländern, klappt so eine Konversation mit Händen und Füßen immer gut).
In Straza werden wir zum Plaudern und Kaffeetrinken in einen Hof eingeladen und dann zum Mittagessen an die Nachbarn weiter gereicht. Obwohl wir ursprünglich nicht durch Serbien fahren wollten (sonst hätten wir ja gleich an der Donau bleiben können), sind wir froh, diesen "Abstecher" gemacht zu haben - wir haben viele nette Menschen kennen gelernt.
Bei Kaluderevo überqueren wir die Grenze nach Rumänien und hier im Süden sind die Menschen gleich viel offener. Als wir nach eineinhalbstündiger Bergfahrt bei 40 Grad im Schatten (wenn's einen gibt) in Pojejena für einen kühlen Drink Halt machen, erklären uns mindestens 10 nette Herren aus der Dorfkneipe gleichzeitig, wie wir jetzt am besten weiter fahren.
Bei Moldova Noua erreichen wir wieder die Donau und folgen ihr durch ein wunderschön gewundenes Tal über Orsova bis Drobeta Turnu Severin. Hier im Süden Rumäniens erscheint uns das Land lange nicht mehr so fremd wie bei unserem ersten Besuch. Und nachdem wir schon die Hoffnung aufgegeben hatten, hier einen der auf unserer Karte verzeichneten Campingplätze zu finden, entdecken wir in der Nähe von Calafat - kurz bevor wir das Land verlassen - einen gemütlichen Platz am Donau-Ufer, wo wir für einen Tag unser Lager aufschlagen.
Wir stellen mal wieder fest, dass unsere Zeit viel zu knapp ist ;-), denn wir haben nur einen kleinen Teil von Rumänien gesehen - vielleicht sollten wir irgendwann nochmal wiederkommen und uns den Rest "in Ruhe" ansehen.
Bulgarien, das wir mit der Donaufähre von Calafat aus erreichen, wartet mit neuen Herausforderungen auf uns: Zum Einen ist da die kyrillische Schrift, die wir mit der Geschwindigkeit eines Erstklässlers lesen. Außerdem müssen wir jetzt bei den Gesten für "ja" und "nein" umlernen - die Bulgaren nicken zur Seite, um etwas zu bejahen (sieht ähnlich aus wie unser Kopfschütteln) und ziehen den Kopf hoch, um etwas zu verneinen. Wir versuchen flexibel zu sein und eiern unentschlossen mit dem Kopf rum (hoffentlich lernen wir's noch - wir können's auch für Griechenland brauchen).
Aber die Menschen, denen wir begegnen, sind unglaublich fremdenfreundlich. Wenn wir irgendwo stehen bleiben, kommen gleich Leute, plaudern mit uns und lassen sich auch nicht davon abschrecken, dass wir kaum ein Wort verstehen. Bis Lom fahren wir an der Donau lang und nach 2.300 km Gesamtstrecke verabschieden wir uns von ihr. Jetzt geht's in die Berge - der Balkan kennt keine Gnade, auch nicht bei Caros fehlenden Gängen. Zuerst fahren wir auf einer Hochebene mit Steppencharakter und ab Vraca dann das wunderschöne Iskar-Tal lang, mit zwischen steil aufragenden Felsen - mal weiß, mal Gand-Canyon-rot - sich dahinschlängelndem Fluss.
In Lakatnik finden wir neue Freunde - Eli und Tchavdar - mit denen wir ein schönes, geruhsames Wochenende verbringen und die uns auch in Sofia freundlich aufnehmen. Sofia fasziniert durch die unterschiedlichsten religiösen Bauten: eine Kathedrale, Kirchen im byzantinischen und russischen Stil, eine Moschee, eine Synagoge u.v.m.
Von Sofia aus geht's weiter Richtung Süden mit zwei Abstechern in die Berge: Einmal über 30 km bergauf, um in 1.200 m Höhe das Rilski-Kloster zu besuchen - es lohnt sich - ein wunderschönes Kloster mitten in den Bergen. Und dann nochmal ca. zwei Stunden lang bergauf, um das malerische Dörfchen Melnik anzuschauen.
Und hier, kurz vor Melnik erwischt's uns: Überfall. Klassisches Bild: wir im Schneckentempo die Berge hoch und da am Wegesrand drei Typen mit Stöcken bewaffnet, die unser Geld wollen. Um's kurz zu machen: nachher waren die "Räuber" wohl glücklicher als wir, mit heiler Haut davon gekommen zu sein - waren (zu unserem Glück) offensichtlich keine Profis.
Griechenland begrüßt uns mit einer bisher noch nicht "erfahrenen" Hitze, dafür aber auch mit vielen guten Düften: würzig die Tabakfelder, aromatisch die Kiefernwälder und wilder Thymian, süß die Kleefelder. Wir radeln schnurstracks zum Meer und machen erstmal drei Tage richtig faulen Strandurlaub.
Hier am Meer treffen wir Peter und Sven, zwei Münchner Tourenradler, die auf dem Weg nach Ägypten sind. Frisch gestärkt radeln wir weiter nach Thessaloniki, einer angenehm lebendigen Stadt mit märchenhaft orientalisch anmutendem Bazar und Zeugnissen uralter Geschichte an jeder Ecke. Nach ein paar Tagen Großstadt-Getümmel radeln wir auf der Autobahn weiter Richtung Olymp.
Am Fuße des Goetterberges bei Plaka/Litochoro geniessen wir ein paar ruhige Strandtage auf dem Campinplatz von Apostolis, dessen Gastfreundschaft uns schon vor dem Zeltaufbau den ersten Ouzo-Schwipps beschert. Unsere nächste Station ist Meteora mit seinen beeindruckenden Klöstern, die wie Vogelnester auf die imposanten Felsen geklebt scheinen.
Weiter führt uns unser Weg über einige Pässe (schwitz, keuch) nach Delphi. Hier, auf eine Campingplatz mit gigantischem Ausblick, in einer Atmosphäre von erhabener Ruhe, erreicht uns - durch einen Allgäuer Tourenradler - die Nachricht von den grauenvollen Attentaten in den USA mit fünftägiger Verspätung. Die weitere Reise wird von unguten Gefühlen überschattet.
Von Delphi aus radeln wir zur nächsten Fähre und setzen auf den Peloponnes über. Hier finden wir zum ersten Mal seit dem Donauradweg eine für Biker ideale Strecke direkt am Meer lang, auf der wir Tourenradler aus ganz Europa treffen. Als krönenden Abschluss dieser schönen Etappe bestaunen wir den Isthmus von Korinth. Dann strampeln wir unserem letzten Ziel auf diesem Kontinent entgegen - Athen. Hier müssen wir zuerst einiges Organisatorisches für die Weiterreise regeln, bevor wir in aller Ruhe die Akropolis und die Plaka, den Hafen Piräus u.v.m. besichtigen dürfen.
Griechenland begeisterte uns durch seine verschiedenartigen Landschaften: schroffe Steilküsten, lange Sandstrände und imposantes Bergland. Verwöhnt durch die ursprüngliche Herzlichkeit der Bulgaren, wirkten viele der Griechen, denen wir begegneten, etwas cool auf uns - doch wir hatten auch herzliche Begegnungen. Stark beeindruckt haben uns die vielen Ausgrabungsstätten, die an zahlreichen Orten den Geist der Antike spüren lassen.
In den drei Monaten, die wir nun durch Europa geradelt sind, haben wir eine Menge interessanter Orte gesehen und viele nette Menschen getroffen. An manchem Ort hätten wir noch viel länger verweilen können - vielleicht ein anderes Mal, wenn wir nicht im "Weltreisestress" sind ;-). Auf alle Fälle sind wir froh, die Strecke von ca. 3.800 km ohne größere Schwierigkeiten und v.a. gesund geschafft zu haben und freuen uns auf den nächsten Kontinent.